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Donnerstag, 12. April 2012

Mirror

Spiegel (Mirror)

Ich bin silber und genau. Ich habe keine Vorurteile.
Wasimmer ich sehe, verschlinge ich sofort
So wie es ist, ungetrübt durch Liebe oder Abneigung.
Ich bin nicht grausam, nur ehrlich --
Das Auge eines kleinen Gottes, viereckig.
Die meiste Zeit meditiere ich auf der gegenüberliegenden Wand.
Sie ist pink, mit Flecken. Ich habe so lang auf sie geschaut
daß ich glaube, sie sei Teil meines Herzens. Aber sie flackert.
Gesichter und Dunkelheit trennen uns immer wieder.

Jetzt bin ich ein See. Eine Frau beugt sich über mich,
durchsucht meine Reiche nachdem was sie wirklich ist.
Dann wendet sie sich an diese Lügner, die Kerzen oder den Mond.
Ich sehe ihren Rücken, reflektiere ihn treu.
Sie belohnt mich mit Tränen und einer Bewegung der Hände.
Ich bin ihr wichtig. Sie kommt und geht.
Jeden Morgen ist es ihr Gesicht, daß die Dunkelheit ersetzt.
In mir hat sie ein junges Mädchen ertränkt, und in mir
steigt ihr entgegen, Tag für Tag, eine alte Frau, wie ein schrecklicher Fisch.
 
 
 
(Sylvia Plath)

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