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Mittwoch, 4. Mai 2011

Im Blauen

1  Im Blauen waren wir fliegende Schneegänse.
Schöne große, weiß gefiederte Schneegänse inmitten einer Schar anderer Gänse.
Wir flogen in Keilformation, die langen Hälse gereckt und die Augen schmale Schlitze in unseren wilden, weißen, gefiederten Gesichtern. Und dann unsere Flügel!
Ihr hättet uns sehen sollen, wie wir mit den Flügeln schlugen,
mit den Flügeln schlugen und vom Wind getragen wurden.
Dreihundert Meter über dem Fluss schlugen wir heftig mit den Flügeln,
um unser Leben zu retten. Zeilen aus einem Lied gingen mir durch den Kopf.

Sah die Schneegänse fliegen, sah sie tapfer mit den Flügeln schlagen,
und ich wusste, es würde schwer werden in dieser alten Welt, sehr schwer.

 Es war eine Zeit des Vergessens.
Eine lange Zeit im Blauen, du wünschst, wünschst, wünschst,
sie würde niemals enden. Du schläfst viel. Du träumst, musst dich aber
an nichts erinnern. Als würdest du dich ohne Ton durch 101 Fernsehkanäle
zappen. Bis du alle durchhast und wieder bei 1 bist, erinnerst du dich an
gar nichts mehr und fängst von vorne an.
Oder auch nicht. Kickst die Fernbedienung von der Bettkante.

Viele Lieder flogen mich damals an. Aus heiterem Himmel flogen diese Lieder
in meinen Kopf. Anschließend vergaß ich sie alle wieder. Bis auf eines.



In the Country of the Blue
there is no you.

Aus: Nach dem Unglück schwang ich mich auf, breitete meine Flügel aus und flog davon - Joyce Carol Oates
© Ontario Review, Inc. 2006 Alle Rechte der deutschen Ausgabe: © Carl Hanser Verlag München 2008

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